Lieferkettengesetz verabschiedet!

Das Ringen um ein Gesetz zur menschenrechtlichen und umweltbezogenen Sorgfaltspflicht hat ein Ende. Am 11. Juni 2021 wurde das Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten im Bundestag nach einigen inhaltlichen Veränderungen in der vergangenen Woche verabschiedet. Wie es in ihren Reden auch die Bundesminister Müller und Heil betont haben, ist dieser Erfolg nur dank des hartnäckigen Engagements von Nichtregierungsorganisationen, Gewerkschaften und Kirchen zu verzeichnen. Auch wir möchten uns herzlich für euer Engagement für das Lieferkettengesetz bedanken.

Lieferkettengesetz im Überblick

Das Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten wird 2023 in Kraft treten und gilt in der ersten Phase für Unternehmen ab 3.000 Mitarbeiter*innen. IIn der zweiten Phase ab dem Jahr 2024 wird dies auf Unternehmen ab 1.000 Mitarbeiter*innen mit Sitz oder Zweigniederlassung in Deutschland ausgeweitet. Das Gesetz verpflichtet Unternehmen, ihrer Verantwortung in der Lieferkette für die Einhaltung international anerkannter Menschenrechte und bestimmter Umweltstandards nachzukommen.

Der Nationale Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte (NAP) sowie das daraus hervorgeangene? Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) beziehen sich auf den wichtigsten internationalen anerkannten Standard der menschenrechtsbezogenen Unternehmensverantwortung, den Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte der Vereinten Nationen. Diese beinhalten Anforderungen an Politik sowie Wirtschaft, die ihnen möglichen Maßnahmen einzuleiten, damit Menschenrechte in globalen Lieferketten geschützt werden und es bei Verstößen zum Ausgleich für Betroffene kommt.

 

 

Das Lieferkettengesetz bringt den Paradigmenwechsel

Wir sind noch lange nicht am Ziel, doch seit heute sind wir am Start. Damit beschreibt die Initiative Lieferkettengesetz den Beschluss des Bundestages zum Lieferkettengesetz. Denn das Gesetz bedeutet für uns einen Meilenstein, einen Paradigmenwechsel. Statt weiterhin rein auf Freiwilligkeit zu setzen, werden Unternehmen in der Zukunft in die Pflicht genommen, den ihnen möglichen Teil zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in den eigenen Lieferketten beizutragen. Dies ist eine grundsätzliche Veränderung in der Denkweise und dem Verständnis von Verantwortung bezüglich dem Schutz von Mensch und Natur, der die kommenden Jahre gestalten und viele weitere Prozesse auslösen wird.

Das Gesetz entfaltet präventive Wirkung, indem Unternehmen ihr Verhalten ändern und Schäden an Mensch und Umwelt durch vorsorgende Maßnahmen vorbeugen müssen. So sind sie zum Beispiel dazu verpflichtet, in ihren Lieferketten menschenrechtliche und umweltbezogene Sorgfaltspflichten zu beachten (§3). Dazu gehört, dass sie ein wirksames Risikomanagement (§4) einrichten und entweder systematisch für den eigenen Geschäftsbereich und unmittelbare Zulieferer oder anlassbezogen für mittelbare Zulieferer, Risikoanalysen durchführen, um Risiken für Mensch und Umwelt zu erkennen und Verletzungen vorzubeugen, zu beenden oder zu minimieren.

 

Das Gesetz schafft eine starke behördliche Kontrolle und Durchsetzung. Verstoßen Unternehmen gegen ihre Sorgfaltspflichten, handeln sie ordnungswidrig und können von der zuständigen Behörde, dem Bundesamt für Wirtschaft- und Ausfuhrkontrolle (BAFA), mit Bußgeldern belegt werden, die sich an der Schwere des Vergehens wie auch an dem Gesamtumsatz des Unternehmens orientieren. Bei erheblichen Verstößen gegen das Sorgfaltspflichtengesetz ab einer Bußgeldhöhe von mindestens 175.000 Euro ist ein Ausschluss von öffentlichen Aufträgen vorgesehen. Das Gesetz sieht also staatliche Maßnahmen vor, damit die Sorgfaltspflichten auch tatsächlich eingehalten werden.

 

Durch das Gesetz können Betroffene verlangen, dass das BAFA tätig wird. Wenn Betroffene gegenüber dem Bundesamt für Wirtschaft- und Ausfuhrkontrolle (BAFA) geltend machen, dass ihre Rechte durch die Nicht-Erfüllung der Sorgfaltspflichten eines Unternehmens verletzt oder unmittelbar bedroht werden, so muss das BAFA tätig werden und prüfen, ob ein Verstoß vorliegt und darauf hinwirken, dass das Unternehmen diesen beseitigt.

 

Das Gesetz führt eine Prozessstandschaft ein. Betroffene können zukünftig NGOs und Gewerkschaften über die bereits bestehenden Klagewege dazu ermächtigen, dass diese ihre Rechte im eigenen Namen vor deutschen Gerichten einklagen. Das kann Hürden für den Zugang von ausländischen Betroffenen zu deutschen Gerichten reduzieren – etwa die hohen Kosten solcher Verfahren oder bei drohender Verfolgung Anonymität gewährleisten. 

 

Das Gesetz regelt einige wenige umweltbezogene Pflichten, die sich aus drei von Deutschland ratifizierten Übereinkommen ergeben, die im Wesentlichen jedoch auf den Schutz der menschlichen Gesundheit abzielen. Diese sehen die Vermeidung von langlebigen Schadstoffen (POP-Konvention) und von Quecksilber-Emissionen (Minimata-Abkommen) sowie die Kontrolle der grenzüberschreitenden Verbringung von gefährlichen Abfällen (Basler Übereinkommen) vor. Über die Abkommen hinaus erfasst das Gesetz die Schutzgüter Boden, Wasser und Luft im Rahmen der menschenrechtlichen Risiken.

 

Anwendungsbereich und Umweltpflichten sind umfassender als beim Regierungsentwurf. Das Gesetz soll nun auch ausländische Unternehmen erfassen, die in Deutschland eine Zweigniederlassung mit mehr als 3.000 Mitarbeitenden (ab dem 1.1.2024 über 1.000 Mitarbeitenden) haben. Klargestellt wurde außerdem, dass zumindest die Tochterunternehmen zum eigenen Geschäftsbereich der Mutter gehören, insofern diese einen bestimmenden Einfluss ausüben. Und mit dem Basler Übereinkommen zu gefährlichen Abfällen wurde ein drittes Umwelt-Übereinkommen in den umweltbezogenen Pflichtenkatalog aufgenommen.

 

Betriebsräte mit Wirtschaftsausschüssen erhalten neue Rechte. Mit Inkrafttreten des Gesetzes bekommen sie einen Unterrichtungs- und Beratungsanspruch zu Fragen der unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten gemäß dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz. Damit können die gewählten Interessenvertretungen der Beschäftigten über Unternehmensgrenzen hinweg für die Stärkung von Sozialstandards, Menschenrechten und Umweltpflichten wirken.

 

(Quelle: Was das neue Lieferkettengesetz liefert – und was nicht: Eine Analyse der Initiative Lieferkettengesetz) 

 

Am Startpunkt nicht am Ziel angekommen

Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz ist ein entscheidender Schritt für Menschenrechte und Umweltschutz, jedoch einer, der die verschiedenen Beteiligten aus Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft in einem langen Prozess zu einem gemeinsamen Grundverständnis und damit einhergehenden Standpunkt bringt. Dieser ist erst der Startpunkt für den nun folgenden Prozess von Verbesserungen und Umsetzung.

 „Das Lieferkettengesetz ist eine Selbstverpflichtung für Politik und nimmt gleichzeitig Unternehmen in die Verantwortung, den ihnen möglichen Anteil für die Achtung von Menschenrechten und Umweltstandards im In- und Ausland beizutragen. Damit stehen wir gemeinsam am Start zur Veränderung zu einem menschenwürdigen Leben und zur Bewahrung der Schöpfung weltweit.“

Sarah Schulte-Döinghaus, Bundesvorsitzende der Katholischen Landjugendbewegung Deutschlands

In den kommenden Jahren benötigen Unternehmen die Beratung und Unterstützung aus Politik und Zivilgesellschaft, um ihrer Sorgfaltspflicht auch nachkommen zu können. Nur mit vereinten Kräften und dem kontinuierlichen Dialog und Wissensaustausch können die anstehenden Herausforderungen gemeistert werden. Deshalb werden wir uns auch zukünftig für die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltschutz stark machen und sowohl den bereits in der Europäischen Union angestoßenen Gesetzgebungsprozess für ein europäisches Lieferkettengesetz kritisch begleiten als auch notwendige Weiterentwicklungen des deutschen Gesetzes anstreben.

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  • Ausweitung des Wirkungsbereiches auch auf mittelbare Zulieferer und damit auf die gesamte Lieferkette
  • Ausweitung auf Unternehmen ab 250 Mitarbeitende sowie kleine und mittlere Unternehmen (KMU) aus Risikobranchen
  • Ergänzung von zivilrechtlicher Haftung, wodurch Betroffenen einfacher Entschädigung zukommen kann und Unternehmen für Schäden haften, die sie durch Missachtung ihrer Sorgfaltspflicht verursacht haben
  • Ergänzung weiterer umweltbezogener Sorgfaltspflichten
  • Aufnahme der Themen Geschlechtergerechtigkeit und indigener Beteiligungsrechte

Verständnis von Verbraucher*innen als Herausforderung

Auch die Kommunikation mit Verbraucher*innen bleibt für uns eine wachsende Herausforderung, denn Erwartungen und realistische Möglichkeiten einer Umsetzung von Sorgfaltspflichten klaffen stark auseinander. Mit der Einführung eines Gesetzes zur menschenrechtlichen und umweltbezogenen Sorgfaltspflicht werden nicht automatisch alle Produkte frei von Kinderarbeit, Menschenrechtsverletzungen oder Umweltschäden sein. Dass die Entwicklung dennoch gut und notwendig ist, wir jedoch gleichzeitig gemeinsam für viele weitere Schritte kämpfen müssen, ist entscheidend transparent zu machen. Neben der Sorgfaltspflicht für Unternehmen bleibt der Dialog mit Ländern, in denen während der Produktion internationale Standards nicht eingehalten werden, die Priorität, damit internationales wie nationales Gesetz die Rechte von Betroffenen stärkt und ein Wandel vorangetrieben wird. Ergänzen können wir diese Entwicklungen weiterhin mit Maßnahmen der Entwicklungszusammenarbeit, denn nur mit einem ganzheitlichen Einsatz aller Beteiligten kann der notwendige Wandel auch vollzogen werden. Obwohl wir uns dessen bewusst sind, schätzen wir die Bemühungen und jeden kleinen Schritt in die richtige Richtung.