Wir für ein starkes EU-Lieferkettengesetz

E-Mail an Bundeskanzler Scholz

Die Zeit ist reif, Mensch und Umwelt in den Liefer- und Wertschöpfungsketten von Unternehmen konsequent und umfassend zu schützen! Ein EU-Lieferkettengesetz muss Schwächen des deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes ausbessern. Dafür hat sich in ihrem Koalitionsvertrag auch die deutsche Bundesregierung ausgesprochen. Schreibe jetzt eine E-Mail an Bundeskanzler Olaf Scholz, damit er sich mit den zuständigen Minister*innen aktiv für ein wirksames EU-Lieferkettengesetz einsetzt.

Aktueller Stand

Im Sommer 2021 wurde nach langem Ringen in Deutschland ein Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz beschlossen. Es soll deutsche Unternehmen dazu verpflichten, das ihnen Bestmögliche zu tun, um in den eigenen Fertigungsprozessen, aber auch in denen von Zulieferer*innen, menschenrechtliche und umweltbezogene Standards einzuhalten. Weitergehend wäre jedoch eine europäische Regulierung. Diese würde nicht nur den Wettbewerb zwischen Unternehmen innerhalb der EU fair gestalten, sondern gleichzeitig eine größere Wirkung für einen positiven Wandel entfalten. Deshalb fordert die KLJB als Teil der Initiative Lieferkettengesetz, dass die deutsche Bundesregierung die aktuellen Bestrebungen in der EU unterstützt, wie es auch im Koalitionsvertrag festgehalten wurde:

„Wir unterstützen ein wirksames EU-Lieferkettengesetz, basierend auf den UN-Leitprinzipien Wirtschaft und Menschenrechte, das kleinere und mittlere Unternehmen nicht überfordert. Das Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten wird unverändert umgesetzt und gegebenenfalls verbessert.“
Koalitionsvertrag 2021 – 2025 Zwischen der SPD, den Grünen und der FDP, Seite 27

Im Februar 2021 verabschiedete das Europaparlament mit großer Mehrheit den REPORT with recommendations to the Commission on corporate due diligence and corporate accountability, also einen Bericht mit Vorschlägen für die Europäische Kommission mit denen diese eine Richtlinie für unternehmerische Sorgfaltspflichten und unternehmerische Rechenschaftspflichten in Bezug auf Menschenrechte entlang ihrer Lieferketten erarbeiten sollte.
Gut ein Jahr später veröffentlichte die Europäische Kommission ihren Vorschlag für die RICHTLINIE DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2019/1937. Dieser wird in den anstehenden Monaten von Europaparlament, Rat der EU und der Europäischen Kommission zu einem gemeinsamen Kompromiss umgearbeitet, welcher als Richtlinie verabschiedet werden kann.

Bewertung des Kommissionsvorschlags

Der Vorschlag ist gut und weitgehender als das in Deutschland verabschiedete Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, bleibt jedoch noch immer in einigen Punkten hinter den Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechten der Vereinten Nationen zurück und bietet Unternehmen noch immer Schlupflöcher. Deshalb benötigt es einer Nachbesserung. Problematisch ist, dass der Vorschlag viele große Unternehmen nicht berücksichtigt, kleine und mittlere Unternehmen wie auch einige Risikobranchen außen vor lässt. Auch die Beschränkung auf Zulieferer*innen, mit denen „dauerhafte Geschäftsbeziehungen“ bestehen, ermöglicht es Unternehmen mit kreativen Lösungen ihrer Verantwortung innerhalb der Lieferkette zu entziehen. Darüber hinaus sind entscheidende Bereiche wie der Umweltschutz, Klimawandel und auch der Fokus auf den Schutz von Frauen nicht umfassend genug unter Einbeziehung internationaler Abkommen verankert.
Eine ausführliche Darstellung und Bewertung hat die Initiative Lieferkettengesetz in einer Stellungnahme zum Entwurf der Europäischen Kommission zusammengetragen.

Sorgfaltspflicht

Die Vereinten Nationen haben 2011 Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte verabschiedet, die Verantwortung auf drei Säulen verteilt: Staatlichen Schutz, Achtung/Sorgfalt durch Unternehmen und rechtliche Abhilfe. Nur im Zusammenspiel aller drei Säulen kann sich die Menschenrechtslage langfristig verbessern.
Sorgfaltspflicht bedeutet in diesem Kontext für Unternehmen bei ihrem Handeln Sorgfalt walten zu lassen. Also das eigene Handeln zu reflektieren, Folgen abzuschätzen und möglichst Problemen durch vorausschauendes Handeln aus dem Weg zu gehen. Im Rahmen eines menschenrechtlichen Sorgfaltspflichtengesetzes bedeutet dies:

• Durch eine Grundsatzerklärung als Unternehmen öffentlich Stellung pro Einhaltung der Menschenrechte zu beziehen und hierdurch das eigene Unternehmen aber auch Zuliefer*innen zu sensibilisieren.
• Risiken für Menschenrechtsvergehen in der eigenen gesamten Lieferkette zu analysieren und Maßnahmen zu ergreifen, um ihnen vorzubeugen. Falls es keine möglichen Maßnahmen innerhalb der Lieferkette gibt, sollte im Ernstfall der Wechsel der Zuliefer*innen in Betracht gezogen werden. Eine positive Entwicklung anzustoßen, ist jedoch vorzuziehen.
• Beschwerdemechanismen installieren, damit Probleme, die innerhalb der Lieferkette auftreten, verbessert werden können, auch wenn die Risikoanalyse des Unternehmens sie im Vorhinein nicht erkannt hat.
• Veröffentlichung eines jährlichen Berichtes, um Veränderungen darzustellen, Probleme aufzuzeigen und Rechenschaft abzulegen.
• Abhilfemaßnahmen in Form von Entschädigungen o.Ä., falls es trotz aller vorausschauenden Maßnahmen noch zu Menschenrechtsverstößen kommt.

Entstehung einer europäischen Richtlinie

Zu unterscheiden ist zwischen den Begriffen Gesetz, Verordnung und Richtlinie. Gesetze werden vom Parlament, also der Legislative gemacht. Verordnungen hingegen werden durch die ausführende Gewalt, also Verwaltungen erlassen und beschreiben konkret, wie die Umsetzung eines Gesetzes in der Praxis geschehen soll. Für die Europäische Union, wie auch in dem Fall des sogenannten europäischen Lieferkettengesetzes, ist die Richtlinie entscheidend. Diese ist eine Handlungsvorschrift, welche von den verschiedenen Organen der Europäischen Union gemeinsam erarbeitet und beschlossen wird. Richtlinien haben einen bindenden Charakter, sind jedoch förmlich kein Gesetz. Erst durch die Mitgliedsstaaten der EU müssen im Anschluss Gesetze verabschiedet werden, welche die Richtlinien innerhalb der jeweiligen Nationalstaaten umsetzen.
In unserem Fall wurde im Februar 2022 der Vorschlag für eine Richtlinie durch die Kommission dem Europäischen Parlament, bestehend aus gewählten Europaabgeordneten, und dem Rat der Europäischen Union, bestehend aus Vertreter*innen der Regierungen der Mitgliedsstaaten, vorgelegt. Wann eine erste Lesung im Parlament stattfindet, ist zeitlich nicht vorgeschrieben. Für die zweite Lesung hingegen haben die Organe eine Frist von drei Monaten, die auf Beantragung um einen Monat verlängert werden kann. Ein vollständiges Verfahren vom Vorschlag bis zur Verabschiedung dauert in der EU im Durchschnitt 19 Monate. Dabei hat das Europaparlament, anders als der Bundestag, selbst kein Initiativrecht und kann keine Entwürfe einbringen. Durch die Abstimmung über einen Bericht mit Vorschlag für die Kommission kann diese jedoch dazu gebracht werden einen Entwurf zu erarbeiten und einzubringen. Quelle: https://www.europarl.europa.eu/germany/de/europ%C3%A4isches-parlament/ordentliches-gesetzgebungsverfahren#shadowbox/1/ 20.4.2022
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Die Wirkung auf Deutschland

Eine Richtlinie der EU hat zur Folge, dass Nationalstaaten wie Deutschland diese in Nationales Recht umsetzen müssen oder mit Strafen zu rechnen haben. Dem zugrunde liegt die Idee der EU als gemeinsamer Wirtschaftsraum. Die EU und deren Binnenmarkt sind nur erfolgreich, wenn Spielregeln (Level Playing Field – gleiche Regeln für alle) auch umgesetzt und eingehalten werden. Wenn ein Mitgliedsstaat eine beschlossene EU-Richtlinie nicht umsetzt oder nicht fristgerecht umsetzt, entsteht ein Ungleichgewicht innerhalb der Rechtslage der EU und des Binnenmarktes. Damit verbunden, werden wirtschaftliche Interessen aller anderen Mitgliedsstaaten beeinträchtigt. Je länger das Ungleichgewicht anhält, desto größer können Verluste für Bürger*innen und Unternehmen werden, was sich auch in Steuereinnahmen widerspiegelt. Wegen Nichtumsetzung einer Richtlinie kann die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren wegen des Vorstoßes gegen den Vertrag über die Arbeitsweisen der Europäischen Union (AEUV) einleiten. Entscheidend ist dabei, dass eine Richtlinie trotz fehlender nationaler Umsetzung sofort auch in den Mitgliedsstaaten gültig wird und nationale Gerichte verpflichtet sind, Rechtsstreitigkeiten unionsrechtskonform auszulegen.